In Deutschland leiden laut dem Robert-Koch-Institut jährlich rund 40 Prozent der Todesfälle an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ein erheblicher Risikofaktor dabei ist ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel – auch bei Kindern. Obwohl viele annehmen, dass nur Erwachsene betroffen sind, zeigen neue Daten: Bereits im Kindesalter kann sich zu viel „schlechtes Cholesterin“ im Körper ansammeln. Ein rechtzeitiges Screening könnte schwerwiegende Folgen verhindern.
Inhaltsverzeichnis:
- Familiäre Hypercholesterinämie betrifft rund 1 von 250 Menschen
- LDL-Werte und die Grenzbereiche bei Kindern
- Pilotprojekte wie die Vroni-Studie liefern erste Erfolge
- Kein bundesweites Screening trotz politischer Pläne
- Statine: Therapieoption bereits im Kindesalter
- Warum frühes Handeln entscheidend ist
Familiäre Hypercholesterinämie betrifft rund 1 von 250 Menschen
Ein erhöhter LDL-Wert bei Kindern ist häufig genetisch bedingt. Die sogenannte familiäre Hypercholesterinämie (FH) wird meist von einem der Elternteile vererbt. Laut Prof. Dr. Ulrich Laufs, Leiter der Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig, liegt das Risiko bei 50 Prozent, dass ein betroffenes Elternteil die Störung an das Kind weitergibt. Diese Stoffwechselkrankheit verhindert, dass LDL-Cholesterin effektiv aus dem Blut entfernt wird. So steigt der Wert unabhängig von Ernährung oder Bewegung.
FH tritt in Deutschland schätzungsweise bei 1 von 250 Personen auf. Die Dunkelziffer ist hoch, weil viele Kinder gar nicht getestet werden. Dabei ist FH von Geburt an vorhanden. Ohne Diagnose und Behandlung kann das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall bereits im jungen Erwachsenenalter deutlich erhöht sein.
LDL-Werte und die Grenzbereiche bei Kindern
Bei Kindern sollte der LDL-Cholesterinwert unter 110 mg/dl liegen. Werte über 135 mg/dl lassen laut Laufs auf FH schließen. Symptome gibt es oft nicht, dennoch können die Gefäße schon früh geschädigt werden. Ein dauerhaft erhöhter Spiegel führt zur Arteriosklerose, also zur Ablagerung in den Arterien, die langfristig lebensbedrohlich sein kann.
Altersgruppe | Wünschenswerter LDL-Wert | Verdacht auf FH ab |
---|---|---|
Kinder (5–14 J.) | unter 110 mg/dl | ab 135 mg/dl |
Erwachsene | unter 115 mg/dl | ab 160 mg/dl |
Ein hoher Wert bleibt meist unentdeckt, weil Cholesterinmessungen bei Kindern in Deutschland nicht standardmäßig erfolgen. Die Folge: Späte Diagnosen und hohes Risiko.
Pilotprojekte wie die Vroni-Studie liefern erste Erfolge
Bayern, Bremen, Niedersachsen und Hamburg bieten mit der Vroni-Studie ein kostenloses Cholesterin-Screening an. Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren können dort beim Kinderarzt mittels weniger Blutstropfen untersucht werden. Bei Verdachtsfällen folgt eine genetische Analyse, ggf. auch bei Verwandten.
Die bisherigen Ergebnisse aus Bayern:
- Über 27.000 Kinder wurden untersucht
- 265 Kinder und deren Familien erhielten eine FH-Diagnose
- Die Studie läuft seit 2020
Diese Daten zeigen: Früherkennung funktioniert und kann Leben retten. Dennoch bleibt die Vroni-Studie auf einzelne Bundesländer beschränkt.
Kein bundesweites Screening trotz politischer Pläne
Ein bundesweites Vorsorgeprogramm fehlt weiterhin. Zwar plante Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein sogenanntes Gesundes-Herz-Gesetz mit regelmäßigen FH-Tests für Kinder, doch das Vorhaben wurde nie umgesetzt. Ob die aktuelle Bundesregierung unter Friedrich Merz dieses Thema erneut aufgreift, ist ungewiss.
Fachverbände wie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie fordern schon lange ein flächendeckendes Screening ab dem Vorschulalter. Ulrich Laufs empfiehlt, die Messung im Rahmen der U9-Vorsorgeuntersuchung (Alter 5–6 Jahre) durchzuführen.
Statine: Therapieoption bereits im Kindesalter
Kinder mit bestätigter FH benötigen häufig eine Behandlung mit Statinen. Diese Medikamente hemmen die Cholesterinproduktion und senken den LDL-Spiegel. Laut Laufs sind sie ab dem fünften Lebensjahr einsetzbar und gut verträglich. Ab zehn Jahren sind alle Statine grundsätzlich zugelassen.
Die wichtigsten Fakten zu Statinen bei Kindern:
- Wirksam ab 5 Jahren einsetzbar
- Gut verträglich, kaum Nebenwirkungen
- Regelmäßige Kontrollen notwendig
- Senken das Risiko schwerer Erkrankungen deutlich
Eltern können bei Verdacht auf FH den Kinderarzt ansprechen. In vielen Fällen übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten für einen Cholesterin-Test – vor allem bei familiärer Vorbelastung.
Warum frühes Handeln entscheidend ist
Die Schäden durch hohe LDL-Werte beginnen oft lautlos – aber schon früh. Wird FH nicht erkannt, steigt das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und andere kardiovaskuläre Erkrankungen massiv. Ein flächendeckendes Screening würde helfen, diese Risiken deutlich zu senken.
Die Zahlen aus Bayern zeigen, dass gezielte Tests funktionieren. Doch ohne bundesweite Regelung bleibt das Risiko hoch, viele Betroffene zu übersehen. Nur durch frühes Erkennen und Behandeln lässt sich der Kreislauf durchbrechen.
Quellen:
- Robert-Koch-Institut
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
- Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
- Universitätsklinikum Leipzig, Prof. Dr. Ulrich Laufs
- Vroni-Studie
- Berliner Morgenpost