Fast ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland chattet regelmäßig mit Fremden im Internet. Eine aktuelle Befragung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen zeigt, dass dies erhebliche Risiken birgt. Ein Viertel der Befragten im Alter von acht bis 17 Jahren wurde bereits Opfer von Cybergrooming. Die Täter nutzen soziale Netzwerke, Spieleplattformen und Messaging-Dienste, um gezielt junge Menschen zu manipulieren. Besonders gefährdet sind seelisch belastete und isolierte Jugendliche.
Inhaltsverzeichnis:
- Forschungsergebnisse der Universität Münster
- Täterstrategien in sozialen Netzwerken
- Mädchen und seelisch belastete Jugendliche besonders gefährdet
- Schutz durch Aufklärung und Prävention
- Hilfsangebote für Betroffene
Forschungsergebnisse der Universität Münster
Eine aktuelle Metastudie der Universität Münster untersuchte 34 nationale und internationale Studien zu Cybergrooming. Die Auswertung zeigt klare Risikofaktoren.
- Jugendliche sind stärker gefährdet als Kinder.
- Konflikte im Elternhaus und emotionale Distanz zu den Eltern verstärken das Risiko.
- Teenager verbringen mehr Zeit online und suchen eigenständige Kontakte.
- Die elterliche Kontrolle ist bei älteren Minderjährigen meist schwächer ausgeprägt.
Die Studienergebnisse verdeutlichen, wie Täter gezielt Schwächen und emotionale Bedürfnisse von Jugendlichen ausnutzen. Besonders in sozialen Medien und Online-Spielen entstehen erste Kontakte. Innerhalb kürzester Zeit entwickeln sich Gespräche von oberflächlichen Chats zu persönlichen Themen.
Täterstrategien in sozialen Netzwerken
Cybergroomer sind strategisch und geschickt. Sie beobachten das Verhalten von Jugendlichen sehr genau. Martin Rettenberger, Psychologe und Leiter des CERES-Forschungsprojekts in Wiesbaden, erklärt, dass Täter ein feines Gespür für verletzliche Opfer haben. Anhand von Profilbildern, Chatverhalten und Online-Zeiten identifizieren sie potenzielle Zielpersonen.
Typische Fragen wie:
- „Bist du allein zu Hause?“
- „Kommt jemand in dein Zimmer?“
- „Wer sitzt mit dir am PC?“
sollen Informationen über die elterliche Aufsicht geben. Ehrliche Antworten der Jugendlichen erhöhen die Erfolgschancen der Täter.
Plattformen wie Instagram, Snapchat, Minecraft oder Roblox werden gezielt genutzt. Täter wechseln frühzeitig auf private Chats, um dort intime Inhalte anzufordern oder Treffen zu arrangieren. Die Gefahr steigt, sobald Gespräche außerhalb öffentlich sichtbarer Plattformen stattfinden.
Mädchen und seelisch belastete Jugendliche besonders gefährdet
Laut der Cybergrooming-Expertin Hannah Czemmel sind es vor allem Jugendliche mit emotionalen Problemen, die ins Visier geraten. Bei der Hamburger Hilfsorganisation Dunkelziffer informiert sie Familien und Schulen über Täterstrategien.
Gefährdete Gruppen sind:
- Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren
- Jugendliche mit familiären Problemen
- Opfer von Mobbing
- Kinder aus instabilen Verhältnissen
Viele dieser Jugendlichen haben ein starkes Bedürfnis nach Nähe und Anerkennung. Das macht sie empfänglich für vermeintliche Freundschaften mit Fremden. Täter geben sich als verständnisvolle Gesprächspartner aus, um Vertrauen aufzubauen. In Wahrheit verfolgen sie Missbrauchsabsichten.
Schutz durch Aufklärung und Prävention
Trotz vorhandener Warnvideos und Unterrichtseinheiten erreicht die Präventionsarbeit viele Jugendliche nicht. Der Wunsch nach mehr Aufklärung ist deutlich: Über 66 Prozent der Befragten wünschen sich intensivere Besprechung des Themas in der Schule. 45 Prozent würden auch zu Hause gerne mehr darüber reden.
Der Psychologe Rettenberger betont: „Früher oder später wird jedes Kind mit Cybergrooming in Kontakt kommen.“ Daher sei es wichtig, dass Eltern über das digitale Leben ihrer Kinder informiert sind. Offene Gespräche helfen, Gefahren zu erkennen und zu vermeiden.
Wichtige Maßnahmen zur Vorbeugung:
- Regelmäßige Gespräche in der Familie über Internetnutzung
- Schulprojekte zur digitalen Kompetenz
- Sensibilisierung für Tätermethoden
- Technische Schutzmaßnahmen auf Geräten
Hilfsangebote für Betroffene
Für Kinder und Jugendliche, die betroffen sind oder sich unsicher fühlen, gibt es mehrere Anlaufstellen:
- Nummer gegen Kummer: 040 116 111 (auch online erreichbar)
- JUUUPORT: Bundesweite Online-Beratung durch Gleichaltrige
- Polizei: Fachdienststellen in jedem Bundesland
- ZEBRA: Online-Meldestelle der Landesmedienanstalt NRW für Cybergrooming-Verdachtsfälle
Diese Angebote sind vertraulich und kostenlos. Sie helfen Betroffenen, Unterstützung zu finden und Täter anzuzeigen. Die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Familien und Fachstellen bleibt entscheidend, um junge Menschen im digitalen Raum zu schützen.
Quelle: Tagesschau