Pflege in Deutschland steht vor tiefgreifenden Veränderungen
Pflege in Deutschland steht vor tiefgreifenden Veränderungen, Foto: Pexels

Die Koalition in Deutschland steht vor großen Herausforderungen bei der Neuausrichtung der Pflegeversicherung. Für das Jahr 2026 klafft bereits eine Lücke von rund 2 Milliarden Euro in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe namens „Zukunftspakt Pflege“ hat nun erste Zwischenergebnisse vorgestellt, die als Grundlage für weitergehende Reformen dienen sollen.

Inhaltsverzeichnis:

Situation der Finanzierung in Deutschland

Die gesetzlichen Ausgaben übersteigen die Einnahmen schon jetzt. Für 2026 wird ein Defizit von etwa 2 Milliarden Euro erwartet. Dies soll – wie in der Vergangenheit – durch staatliche Darlehen gedeckt werden. Langfristig rechnen Fachleute mit einem wachsenden Finanzierungsbedarf, der bis 2033 auf bis zu 15 Milliarden Euro ansteigen könnte.

Die Vorschläge der Arbeitsgruppe sehen vor, dass die Pflegeversicherung weiterhin nicht sämtliche Kosten übernimmt. Die pflegebedingten Eigenanteile der Betroffenen sollen begrenzt oder in ihrem Anstieg gedämpft werden. Eine diskutierte Änderung nennt sich „Sockel-Spitze-Tausch“. Dabei würde der Pflegebedürftige künftig nur einen Sockelbetrag zahlen, während die Pflegeversicherung die darüber hinausgehenden Kosten übernimmt.

Zusätzlich wird geprüft, eine verpflichtende private Zusatzversicherung einzuführen. Modellrechnungen wurden beauftragt für zwei Varianten:

  • stationäre Pflegekostenversicherung
  • Pflegetagegeldversicherung mit monatlichen Absicherungen von 1 000 und 2 000 Euro

Eine Opt-Out-Regelung ist ebenfalls denkbar – also eine Regel, bei der Versicherte aktiv widersprechen müssen, wenn sie nicht teilnehmen wollen.

Möglichkeit einer Pflegegeldversicherung
Möglichkeit einer Pflegegeldversicherung, Foto: Pexels

Die Arbeitsgruppe schlägt vor, am System der Pflegestufen festzuhalten, also auch Pflegestufe 1 beizubehalten. Doch deren Leistungen sollen stärker auf Prävention ausgerichtet werden. Der derzeitige Entlastungsbetrag in Pflegestufe 1 beträgt 131 Euro monatlich. Er soll künftig ganz oder teilweise umgewidmet werden, um frühzeitige pflegefachliche Begleitung zu ermöglichen.

Ein weiterer Vorschlag betrifft die Dynamisierung der Leistungen – also eine automatische Anpassung an steigende Kosten. Die letzte Erhöhung fand zu Jahresbeginn statt; die nächste ist für 2028 vorgesehen. Versicherungsfremde Leistungen sollen künftig über Steuermittel finanziert werden. Bis zur Abschlusssitzung im Dezember sollen alle Vorschläge konkretisiert werden.

Reaktionen von Politik und Verbänden

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) betonte, dass stetige Beitragserhöhungen und Mehrbelastungen nicht die Lösung sein können. Effizienzsteigerung in der Versorgung und ausreichende Einnahmen seien zwingend nötig.

Simone Borchardt, gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, nannte den Zukunftspakt einen „wichtigen ersten Schritt“. Viele Ansätze lägen auf dem Tisch, doch entscheidende Fragen seien noch offen. Sie forderte weniger Bürokratie, mehr Prävention und eine Stärkung der häuslichen Pflege.

Der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) kritisierte, dass die Vorschläge bislang „eher zaghaft“ seien. Thomas Knieling, Hauptgeschäftsführer, warnte, dass ohne wirksame Kostenbegrenzung selbst eine Dynamisierung der Leistungen das Problem nicht lösen werde. Er forderte mehr Flexibilität für Pflegeeinrichtungen und weniger Bürokratielasten.

Auch der Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland (ASB) zeigte sich skeptisch. Uwe Martin Fichtmüller, Hauptgeschäftsführer, bemängelte, dass viele zentrale Vorschläge genannt, aber nicht konkret geprüft würden. Die Bevölkerung benötige verlässliche Lösungen – und keine unverständlichen Rechenmodelle.

Ausblick und Perspektiven

Die Arbeitsgruppe wurde erst im Juli von Nina Warken eingesetzt und arbeitet bis zur Abschlussrunde im Dezember weiter. In den kommenden Monaten sollen die Varianten präzisiert und bewertet werden. Offen ist, welche Kosten ein Systemwechsel wie der Sockel-Spitze-Tausch mit sich bringen würde. Experten gehen von milliardenschweren Zusatzkosten aus.

Reformen erscheinen unverzichtbar, um das Versprechen einer bezahlbaren und verlässlichen Pflegeversicherung auch für die Zukunft zu sichern.

Quelle: Berliner Morgenpost